Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Rechtshandlung des Schuldners bei Zahlung eines Dritten
Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Rechtshandlung des Schuldners bei Zahlung eines Dritten – BGH, Urteil vom 12.04.2018 – IX ZR 88/17 – Folgerungen bezogen auf Fälle der Zwangsvollstreckung
Der neunte Zivilsenat am Bundesgerichtshof hatte die Frage zu beantworten, ob die Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer Rechtshandlung des Schuldners ausscheidet, wenn dieser eine Zahlung von einem Dritten erlangt hat (vgl. BGH, Urteil vom 12.04.2018 – IX ZR 88/17).
Im Kern ging es in der hier behandelten Entscheidung um die Frage, ob die Möglichkeit, dass ein Dritter freiwillig für den Schuldner an den Anfechtungsgegner geleistet hat (Anweisung auf Kredit), der Kenntnis des Anfechtungsgegners von einer (gläubigerbenachteiligenden) Rechtshandlung des Schuldners entgegensteht.
Bei der Zahlung eines Dritten kommen unterschiedliche Handlungsabläufe in Betracht. Der Dritte kann auf Grund einer gegenüber dem Schuldner bestehenden Verpflichtung, in Begründung einer Verpflichtung oder auch uneigennützig handeln. In den letztgenannten Fällen fehlt es an einer gläubigerbenachteiligenden Wirkung der Anweisung (auf Kredit) bzw. schon an einer Rechtshandlung des Schuldners (uneigennützige Handlung des Dritten).
Der Bundesgerichtshof gelangt zu dem Ergebnis, dass allein die Möglichkeit unterschiedlicher Geschehensabläufe, der Kenntnis des Anfechtungsgegner von einer Rechtshandlung des Schuldners nicht entgegenstehe. Der neunte Zivilsenat führt insoweit aus:
„Allein diese mehr oder weniger wahrscheinlichen Sachverhaltsalternativen, die eine Rechtshandlung der Schuldnerin oder (auch) eine Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnten, stehen einer Kenntnis der Rechtshandlung und der durch sie bewirkten Gläubigerbenachteiligung nicht entgegen. Selbst der geschäftlich ungewandte, über den konkreten Zahlungsfluss nicht näher unterrichtete Anfechtungsgegner geht mangels ihm bekannter gegenteiliger Anhaltspunkte von dem Regelfall aus, dass er außerhalb einer Zwangsvollstreckung die empfangene Zahlung einer die Gläubigergesamtheit benachteiligenden Rechtshandlung seines Schuldners und nicht dem uneigennützigen Dazwischentreten eines Dritten verdankt. Im Interesse der Erfüllung seiner Forderung ist der Anfechtungsgegner grundsätzlich mit jeder möglichen und gerade auch mit einer auf einer Rechtshandlung des Schuldners beruhenden Befriedigung einverstanden, welche als Kehrseite die Gläubigergesamtheit benachteiligt.“
Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zur Frage der gläubigerbenachteiligenden Wirkung von vom Schuldner veranlassten Zahlungen unter Inanspruchnahme von Kreditmitteln nach Zustellung eines Vollstreckungstitels an die kontoführende Bank als Drittschuldnerin ist seit dem Jahr 2013 im Wesentlichen unverändert.
Im Kontext dieser jüngeren Entscheidung – die sich im Kern mit einer anderen Frage befasst – stellt sich gleichwohl die Frage, ob eine im Wege der Zwangsvollstreckung erlangte Befriedigung der Kenntnis der Rechtshandlung des Schuldners und der durch sie bewirkten Gläubigerbenachteiligung entgegensteht.
Die Vollstreckung ist ein Zwangsmittel. Es lässt sich daher argumentieren, dass Zahlungen, die nach Zustellung entsprechender Titel an den Drittschuldner geleistet werden der Kenntnis von der Rechtshandlung des Schuldners entgegenstehen.
Der Weg der erlangten Befriedigung kann unseres Erachtens nicht isoliert betrachtet werden. Der Geschehensablauf ist im Lichte der Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu bewerten. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit, muss dieser es ernstlich in Betracht ziehen oder für wahrscheinlich erachten, dass erst der Schuldner die Handlungen vorgenommen hat, die die Befriedigung des Anfechtungsgegners ermöglichten.
In Einzelfällen wird dies anders zu beurteilen, insbesondere dann, wenn die im Wege der Zwangsvollstreckung realisierte Forderung aus einem einmaligen Geschäft zwischen dem Schuldner und dem Anfechtungsgegner resultiert. So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass sich aus der gegenüber dem Gerichtsvollzieher erklärten Bereitschaft des Schuldners einer geringfügigen Forderung, eine Zahlungsvereinbarung abzuschließen, allein nicht zwingend auf die Zahlungseinstellung des Schuldners geschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 06.07.2017 – IX ZR 178/16).
Spätestens jedoch dann, wenn das zögerliche Zahlungsverhalten die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit (mit-)begründet, spricht auch im Rahmen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangter Befriedigung vieles für eine zumindest mitwirkende Rechtshandlung des Schuldners; sei es durch gezielte Kassen- und Kontenauffüllungen oder die Inanspruchnahme von Kreditmitteln.
Die Praxis zeigt, dass gerade oktroyierte Gläubiger einen erheblichen Teil der Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit im Zusammenhang mit Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erlangen. In sehr vielen Fällen führen diese Maßnahmen zu Kontensperren, die erst durch Einzahlung von Mitteln (kurzfristige Darlehen, gezielte Umleitung von nicht betroffenen Konten oder die Inanspruchnahme von Kreditmitteln aus einem Kontokorrentkredit) wieder beseitigt werden. Diese Verhaltensweisen und Geschehensabläufe sind den vorgenannten Gläubigern, ggf. auch gewerblich tätigen Gläubigern, die häufig mit Zahlungsausfällen ihrer Kunden zu rechnen haben, den Umständen nach bewusst.
Gemessen an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sprechen somit überwiegende Argumente dafür, dass die erfolgreiche Zwangsvollstreckung gegen einen erkannt zahlungsunfähigen – nicht zahlungsunwilligen – Schuldner nicht der Kenntnis der Rechtshandlung und der durch sie bewirkten Gläubigerbenachteiligung entgegensteht.
So führte der neunte Senat in der hier diskutierten Entscheidung und mit Verweis auf die Entscheidung vom 24.10.2013 (IX ZR 104/13) aus:
„Angesichts dieses tatsächlichen Befunds hat derjenige allgemeine Kenntnis von dem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, der im Wissen um die Willensrichtung des Schuldners auf der Grundlage einer von diesem tatsächlich veranlassten Rechtshandlung befriedigt wird, die unter den äußerlich zutage getretenen Gegebenheiten nach allgemeiner Erfahrung auf den Schuldner zurückgehen kann. Eine fehlende Kenntnis kann danach nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen anerkannt werden, in denen der Anfechtungsgegner über den maßgeblichen Geschehensablauf im Ansatz unterrichtet ist, aber auf der Grundlage des für ihn nicht vollständig erkennbaren Sachverhalts – etwa im berechtigten Vertrauen auf einen ihm mitgeteilten Zahlungsweg – bei unvoreingenommener Betrachtung eine Rechtshandlung des Schuldners oder eine Gläubigerbenachteiligung zuverlässig ausschließen darf.„
Die Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit wird in der Regel von der Besorgnis begleitet, überhaupt keine Befriedigung mehr zu erlangen. In diesem Fall kann der Gläubiger regelmäßig nicht zuverlässig davon ausgehen, dass die im Zusammenhang mit der Vollstreckung erreichte Befriedigung seiner Forderung allein auf Zwang beruhte.
Im Gegenteil: Im Stadium der (vom Gläubiger erkannten) Zahlungsunfähigkeit wird die im Wege der Zwangsvollstreckung erreichte Befriedigung in der Regel nicht ohne eine mehr oder weniger gewichtige Mitwirkung des Schuldners erlangt.