I. Ausgangslage
Der neunte Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit jüngeren Entscheidungen des Jahres 2017 seine Rechtsprechung zur Anfechtbarkeit von Rechtshandlungen nach vorangegangenen Vollstreckungsmaßnahmen im Kontext der Vorsatzanfechtung (§ 133 Abs. 1 InsO a.F.) weiter konkretisiert. Die Grundsätze behalten auch nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen Gültigkeit.
Klarheit herrschte insoweit, dass Rechtshandlung und mittelbare objektive Gläubigerbenachteiligung zu bejahen sind, wenn der Schuldner etwa nach Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses bzw. einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung eine Überweisung aus dem debitorisch geführten Konto veranlasste. Verkürzt: Erst wenn der Schuldner Kreditmittel (z.B. Kontokorrentkredit) tatsächlich in Anspruch nimmt, entsteht ein verwertbares Pfändungspfandrecht an dem Auszahlungsanspruch. Ebenso verhält es sich, wenn der Schuldner – in Kenntnis des bevorstehenden Besuchs des Gerichtsvollziehers – das benötigte Geld gezielt zur Ermöglichung der Vollstreckung in die Kasse einlegt. Das bedeutet, dass Rechtshandlungen eines Schuldners, die die objektive Gläubigerbenachteiligung ermöglichen, stets also auch dann anfechtbar sind, wenn zugleich eine Vollstreckungsmaßnahme ergriffen wurde.
II. Verschärfung oder nur Konkretisierung?
Mit der Entscheidung vom 01.06.2017 (Az.: IX ZR 48/15) stellt der Senat zunächst klar, dass eine vom Anfechtungsgegner durch Zwangsvollstreckung bewirkte Vermögensverlagerung nur dann auch als Rechtshandlung des Schuldners gewertet werden kann, wenn der Schuldner einen Beitrag zum Erfolg der Zwangsvollstreckung geleistet hat. Dieser muss ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers vergleichbares Gewicht erreichen. Die durch eine Vollstreckungsmaßnahme bewirkte Vermögensverlagerung sei dann nicht zugleich als Rechtshandlung des Schuldners zu werten, wenn sich der Schuldner angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten berechtigten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhält als ohne die Vollstreckung. Wenn er sich also darauf beschränke, die Vollstreckung des Gläubigers nur hinzunehmen.
Praktisch bedeutsam ist diese Differenzierung in Fällen, in denen es der Schuldner unterlässt, bereits fakturierte Leistungen auf ein anderes, von der Pfändung nicht betroffenes Bankkonto umzuleiten. Anders zu beurteilen sind nach diesem Maßstab freilich Fälle, in denen der Schuldner in Kenntnis der Vollstreckungsmaßnahme Handlungen vornimmt, die die Vollstreckungsmaßnahme beschleunigen oder erst ermöglichen.
In der Regel wird der Insolvenzverwalter daher auf Grund vorgefundener Indizien beurteilen müssen, ob und in welchem Umfang Handlungen des Schuldners die Vollstreckung erst ermöglichten. Eine Förderung der Zwangsvollstreckungsmaßnahme wird zu bejahen sein, wenn der Schuldner Leistungen ungewöhnlich früh abrechnet, ein besonders kurzes Zahlungsziel setzt oder seine Gläubiger nachträglich auffordert, nicht auf das in der Rechnung angegebene, sondern auf das von der Zwangsvollstreckungsmaßnahme erfasste Konto zu zahlen.
Von der Regel abweichende Handlungen müssen dokumentiert und auf eine Förderung der Befriedigung des Vollstreckungsgläubigers hin untersucht werden. Auch wenn der Schuldner nur über ein Geschäftskonto verfügt, ist festzustellen, ob Anhaltspunkte für entsprechende Handlungen erkennbar sind, die auf den Versuch einer Wiedererlangung der Verfügungsgewalt über das gesperrte Geschäftskonto hindeuten.
Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist das weitere Urteil vom 01. Juni 2017 (Az.: IX ZR 114/16) zu bewerten. Denn der Senat stellt zunächst klar, dass die in Frage kommenden Rechtshandlungen eine gewisse Erheblichkeitsschwelle überschreiten müssen. Unbedeutende Rechtshandlungen des Schuldners sollen außer Betracht bleiben. Nicht jeder auch nur entfernte Mitwirkungsbeitrag des Schuldners rechtfertigt es, die vom Gläubiger durch eine Vollstreckungsmaßnahme erwirkte Vermögensverlagerung auch als Rechtshandlung des Schuldners zu werten. Andernfalls wäre für die Pfändung künftiger Forderungen, die selten ohne eine Mitwirkung des Schuldners entstehen, regelmäßig der Anwendungsbereich des § 133 Abs. 1 InsO eröffnet. Dies stünde nicht im Einklang mit dem Zweck dieser Norm, außerhalb des Zeitraums von drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 130, 131 InsO) die prinzipiell gleichen Befriedigungsmöglichkeiten der Gläubiger auch durch Maßnahmen der Zwangsvollstreckung zu gewährleisten. Gegenstand der Anfechtung ist in Vollstreckungsfällen die vom Gläubiger mit Zwangsmitteln bewirkte Verlagerung von Schuldnervermögen und nicht lediglich ein dabei mitwirkender Verursachungsbeitrag des Schuldners. Die Mitwirkung des Schuldners könne es aber rechtfertigen, die Vollstreckung auch als Handlung des Schuldners anzusehen und sie einer freiwillig gewährten Befriedigung gleichzustellen. Eine solche Gleichstellung setze voraus, dass der Beitrag des Schuldners bei wertender Betrachtung dazu führe, dass die Vollstreckungstätigkeit zumindest auch als eigene, willensgeleitete Entscheidung des Schuldners anzusehen sei. In dieser Hinsicht müsse der Beitrag des Schuldners ein der Vollstreckungstätigkeit des Gläubigers zumindest vergleichbares Gewicht erreichen. Daran fehle es aber, wenn der Schuldner sich darauf beschränke, die berechtigte Vollstreckung eines Gläubigers hinzunehmen und sich angesichts einer bevorstehenden oder bereits eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahme nicht anders verhalte, als er dies auch ohne die Vollstreckungsmaßnahme getan hätte.
Zwei weitere Entscheidung des neunten Senats aus November 2013 und Juni 2017 (BGH, Urteil vom 21.11.2013 – Az.: IX ZR 128/13; Urteil vom 22.06.2017 – Az.: IX ZR 111/14) machen jedoch deutlich, dass die Anforderungen an die Mitwirkungs- und Förderungshandlung auch weiterhin nicht zu hoch angesetzt werden.
So führt der Senat – auch nach den Entscheidungen vom 01.06.2017 – aus, dass die Anweisung der Schuldnerin an die kontoführende Bank, den bereits gepfändeten Anspruch auf Auszahlung zu überweisen, den Anforderungen an eine selbstbestimmte Rechtshandlung grundsätzlich genügt. Der Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, nimmt eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden. Das ist nicht neu (vgl. BGH, Urteil vom 21.11.2013 a.a.O.), zeigt aber, dass mit der Entscheidung vom 01.06.2017 (Az.: IX ZR 114/16) eine Konkretisierung der Anforderungen an die Mitwirkungshandlung erfolgte.
Anders als im Falle der Aushändigung des Kassenbestands an den bereits anwesenden Vollstreckungsbeamten steht nach der Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung eines Kontoguthabens und dessen Überweisung zur Einziehung noch nicht fest, dass der Abfluss eines Vermögenswerts unmittelbar bevorsteht. Denn es bleibt zunächst offen, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger von seiner Ermächtigung zur Einziehung der gepfändeten Forderung Gebrauch macht. Weist der Schuldner in dieser Situation seine Bank an, eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger auszuführen, könne der Handlung des Schuldners die Selbstbestimmtheit nicht abgesprochen werden.
Die Entscheidungen dürfen jedoch nicht dahingehend verstanden werden, dass die Anweisung des Schuldners an seine Bank, das gepfändete Guthaben zu überweisen, in jedem Fall auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung bewirkt. Die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers benachteiligt die Gesamtheit der Gläubiger dann nicht, wenn sie aufgrund eines Pfändungspfandrechts erfolgt, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO berechtigt (BGH, Urteil vom 14.06.2012 – Az.: IX ZR 145/09). Der Gläubiger erhält dann nur das, was ihm bereits aufgrund des insolvenzbeständigen Pfandrechts zusteht. Anders verhieltees sich nur, wenn das Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliege. Es ist daher zu untersuchen, ob der Schuldner durch zielgerichtete Maßnahmen zur Werthaltigkeit des Pfandrechts beigetragen hat.
Im Urteil vom 14. September 2017 (IX ZR 108/16) folgte eine weiter Konkretisierung der Anforderungen an die Mitwirkungshandlung. Vollstreckt ein Gläubiger aus einem Anerkenntnisurteil, stellt das Anerkenntnis des Schuldners dann eine eigene mitwirkende Rechtshandlung dar, wenn die anerkannte Forderung nicht bestand und nicht eingefordert werden konnte und der Schuldner dem Gläubiger durch das Anerkenntnis beschleunigt einen Titel verschaffen wollte.
Es kommt somit entscheidend auf die Frage an, ob die Entstehung des Pfandrechts auf Grund der Handlung des Schuldners, beschleunigt, erleichtert oder ermöglicht wurde.
III. Fazit
Wesentliche Änderungen enthalten die Entscheidungen zur Problematik der Rechtshandlung und objektiven Gläubigerbenachteiligung nicht. Der neunte Senat ist jedoch bemüht, Rechtsunsicherheit durch eine Konkretisierung der Anforderungen an eine anfechtbare Rechtshandlung im Kontext von Vollstreckungshandlungen zu beseitigen. Von praktischer Relevanz sind insbesondere die Fälle, in denen die Bank die Pfändung erst auf Anweisung des Schuldners nach Herstellung eines entsprechenden Verfügungsrahmens bedient. Auch wenn eine Einziehung des gepfändeten Betrages durch den Vollstreckungsgläubiger erfolgt, ist zu untersuchen, ob der Schuldner die Pfändung durch vorangehende Handlungen gefördert hat. Für den Vollstreckungsgläubiger und Anfechtungsgegner bedeutet dies:
Haben sich der spätere Vollstreckungsgläubiger und der spätere Schuldner im Vorfeld einer Vollstreckungsmaßnahme abgestimmt oder der Schuldner die ggf. angedrohte Vollstreckungsmaßnahme durch einen nicht nur untergeordneten Beitrag aktiv gefördert, sind die Konsequenzen der Entscheidung vom 22.06.2017 (IX ZR 111/14) nicht so positiv, wie der erste Anschein vermuten lässt. Es war zu erwarten, dass der Bundesgerichtshof die Anfechtbarkeit der Beitreibung eines einmaligen Rückstandes im Wege der Zwangsvollstreckung verneint; die Anforderungen an die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz waren stets höher. Zeigen sich jedoch Anhaltspunkte, die eine Förderung der Zwangsvollstreckung durch den Schuldner nahelegen und ergibt sich die Kenntnis des Gläubigers vom Vorsatz des Schuldners aus weiteren Umständen, wird eine Anfechtbarkeit gemäß § 133 Abs. 1 bis 3 InsO ernstlich in Betracht kommen.